Ursprung des Tanzes

Der Schäfflertanz ist der einzige mittelalterliche „Zunfttanz“, der bis in unsere Zeit ununterbrochen aufgeführt wurde. Eine „Zunft“ war ein Zusammenschluss von Handwerkern einer Berufsgruppe. Wir wissen aus Aufzeichnungen von vielen weiteren Zunfttänzen z.B. der Metzger, der Tuchmacher, der Schwertschmiede, alle kamen aber früher oder später zum Erliegen und wurden manchmal erst in unserer Zeit wieder belebt.

Die Zünfte und Zunfttänze gehen zurück auf die Stadtbildungen des Mittelalters, also in die Zeit um 1200 bis 1300. Davor war es für einen Handwerker nicht sinnvoll, sich auf bestimmte Materialien oder Produkte zu spezialisieren, da in den kleinen Ansiedlungen der Absatzmarkt fehlte. Erst als genügend Menschen an einem Ort lebten, lohnte es sich zum Spezialisten in der Fertigung zu werden.

Die spezialisierten Handwerker wollten beweisen, dass ihre Produkte besser waren als jene der Allround-Handwerker. Sie gründeten Handwerker-Zusammenschlüsse, die „Zünfte“, die Ausbildung und Prüfungen standardisierten, Sozialsysteme mit Solidaritätsfonds einrichteten und Gütesiegel festlegten.

Um ihren Zusammenhalt zu festigen und sich in der Öffentlichkeit als Vereinigung darzustellen, richteten die Zünfte in ihren Städten Feste aus und führten die damals beliebten Reigentänze auf. Dabei wurden meist Gegenstände aus dem eigenen Handwerk verwandt. Die Schäffler tanzten mit noch nicht geschlossenen Reifen, im Halbkreis als Bogen mit Buchs umwunden. In geschlossene Reifen stellten sie zum Reifenschwung Becher.

Da es viele Zünfte gab, nahmen die Feste mit der Zeit überhand und die Obrigkeit schritt ein. Jede Zunft durfte nur noch alle paar Jahre auftreten. So hatte man genügend Zeit, sich einige Jahre zu überlegen, wie man den vorigen Auftritt noch steigern könnte um andere Zünfte zu übertrumpfen – die Tänze wurden immer vielfältiger und formenreicher.

Die älteste Abbildung eines solchen Tanzes stammt aus Nürnberg und ist datiert auf das Jahr 1570. Es gibt Hinweise auf frühe Tanzjahre in Nürnberg 1349, Oppenheim am Rhein 1354, Bautzen 1411 und Bozen 1474.

Schriftliche Belege finden sich für München in einem Signat des Bayerischen Kurfürsten Max II Emanuel aus dem Jahre 1702, im Jahre 1760 legte der Bayerische Kurfürst Max III Josef den Aufführungsturnus auf 7 Jahre fest.

Die auf die Frage nach dem Ursprung des Schäfflertanzes am häufigsten genannte Geschichte ist jene, die vom Pestgelübde des Jahres 1517 in München handelt:

„Als im Mittelalter die Pest in Europa Einzug hielt, kam ein großer Teil der Stadtbevölkerung ums Leben. Da die Schäffler wegen der Geruchsbelästigung beim Auspichen der Fässer in den Außenbezirken der Stadt wohnten und arbeiteten, und beim Ausgießen der Fässer mit Pech die freiwerdenden ätherischen Öle einatmeten, waren sie besser geschützt als viele andere.

Als die Pest im Abklingen war, traute sich wegen der Ansteckungsgefahr niemand auf die Straßen und in die Wirtshäuser. Den Schäfflern fehlte damit die Arbeit und die Überlebenden drohten zu verhungern. Einer von ihnen, die Überlieferung nennt ihn „Meister Martin“, sagte sich: „einer muss den Anfang machen“ und fasste den Entschluss, „den alten Zunfttanz der Schäffler wieder aufzuführen und damit die Leute wieder aus den Häusern zu locken“. Mit Fiedel und Schwegelpfeife voran zogen sie vom Hause des „Himmelsschäfflers“ am Färbergraben aus, um Angst, Trübsal und Gram aus den Gesichtern der überlebenden Münchner Bürger zu vertreiben. Sie gelobten – sollte die Seuche nicht wieder auftreten – den Tanz alle 7 Jahre aufzuführen um so an die Errettung aus jener schrecklichen Zeit zu erinnern.“

Für diese mündliche Überlieferung fehlen uns die Belege, es ist auch nicht nachzuweisen, dass 1517 das entscheidende Pestjahr war. Ob die Schäffler ihrem Tanz durch die Zuschreibung des Gelübdes noch mehr Bedeutung geben wollten, oder ob sie verhindern wollten, dass er irgendwann mit einem Verbot belegt würde – auf jeden Fall hat diese Überlieferung mit dazu beigetragen, dass der Schäfflertanz bis in unsere Zeit überlebt hat. 1517 war jedenfalls nicht erst das Gründungsjahr des Schäfflertanzes, denn auch die mündliche Überlieferung belegt: „Lasst uns unseren alten Zunfttanz wieder aufführen…“.

Damit blicken wir auf eine Tradition von mindestens 700 Jahren zurück und der Schäfflertanz bringt ein Stück Mittelalter, aber auch ein Stück Berufsstolz und Zusammengehörigkeit auf unsere Straßen und Plätze